von Anette Bethune, 2. April 2011
Sechs Hamburger Senioren wollen zusammenziehen. Was fehlt, ist eine passende UnterkunftSie möchten nicht mehr allein leben, stattdessen mit anderen die Beschwernisse des Alltags teilen - auch seine schönen Seiten: Vier Frauen und zwei Männer zwischen 68 und 86 Jahren sind entschlossen, eine Wohngemeinschaft zu gründen. Noch allerdings suchen sie ein Domizil, das allen Anforderungen entspricht. Denn einige der Senioren bedürfen schon jetzt der leichten Pflege. "Insofern suchen wir nach einer Wohnung, die möglichst barrierefrei ist und im Idealfall ebenerdig liegt", sagt Karin Hillengaß.
Fünf der sechs Senioren mit Pfleger und Karin Hillengaß (2. R. r.)
Foto: Patrick Piel
Die studierte Sozialpädagogin betreut mit ihrem Pflegedienst laVida die sechs Senioren. Sie war es auch, die die Gruppe durch einen Aufruf im vergangen Jahr zusammengebracht hat. Damals hatte sie Zugriff auf eine Wohnung in einem Haus in Altona, in dem sie auch ihr Büro betreibt. "Die Wohnung wäre ideal gewesen für eine Senioren-WG." Gekommen ist es dann allerdings anders - aus vielerlei Gründen. Einer davon war, dass ein Aufzug fehlte. "Das soll aber für die künftige Unterkunft kein Ausschlusskriterium sein", sagt die 57-Jährige. Schließlich kann man auch einen Treppenlift einbauen. "Das Wichtigste ist allen, dass sie in ihrem gewohnten Umfeld bleiben können, also in Altona oder Ottensen."
Einig sind sich die Senioren auch über das Konzept für die künftige WG: Danach bezieht jeder sein eigenes, etwa 15 m² großes Zimmer und richtet es nach eigenem Wunsch ein. Zusätzlich sollten Gemeinschaftsräume zur Verfügung stehen wie Küche, Wohnzimmer und im Idealfall zwei Bäder. "Jedes Zimmer wird dann auf Wunsch an ein Notrufsystem angebunden, sodass Hilfe schnell zur Verfügung steht, falls dies nötig ist", sagt Karin Hillengaß, die in diesem Zusammenhang die Partnerschaft von laVida mit dem Pflegedienst Hohnl anführt. "Es steht aber jedem frei, sich auch für einen anderen Dienst zu entscheiden", betont die auf Seniorenbedürfnisse ausgebildete "Case-Managerin". Sie selbst bietet der Gruppe an, das Leben in der WG und auch außerhalb zu begleiten, beispielsweise indem sie mit den Bewohnern Behördengänge oder Einkäufe vornimmt.
Unentgeltlich bietet die 57-Jährige dies nicht an. Für ihren Begleitservice stellt sie jedem in der Gruppe etwa 150 Euro monatlich in Rechnung. "Da bei vielen noch Pflegekosten anfallen, sollte die Miete nicht mehr als 400 Euro pro Person betragen", sagt Hillengaß.
Die Gruppe weiß, dass die Suche nach einem geeigneten Domizil nicht leicht wird. Bis dahin trifft man sich regelmäßig mittwochs mit Karin Hillengaß oder unternimmt Ausflüge wie letzte Woche zum Altonaer Museum.
Im Mai planen die sechs Senioren, einen Schritt weiterzugehen. Für acht Tage beziehen sie dann an der Ostsee ein Ferienhaus. "Hier wollen wir das Zusammenleben erproben", sagt die Sozialpädagogin. Und sie fügt hinzu: "Der Gruppe können sich gern noch zwei weitere Mitglieder anschließen."
Heinrich Stüven, Vorsitzender des Grundeigentümerverbandes Hamburg, ist sicher, dass diese Wohnform Zukunft an der Elbe hat. Noch im Nachhinein ist er überrascht von der großen Resonanz, die ein Vortrag von Henning Scherf im September letzten Jahres fand. Damals referierte der frühere Bremer Ex-Bürgermeister im Michel zum Thema "Wohin mit den Alten?". In diesem Zusammenhang berichtete der 71-Jährige auch über seine eigenen Erfahrungen in einer Wohngemeinschaft. Wobei man in Scherfs Fall korrekterweise von einer Hausgemeinschaft sprechen muss, denn jeder der "Mitbewohner" unterhält weiterhin im Haus seine eigene Wohnung. Jedoch gilt hier das Prinzip "offene Türen": Jeder ist für den anderen da, wenn dies gewünscht oder notwendig ist, und in regelmäßigen Abständen trifft sich die Gruppe, wie Scherf ausführte.
"Da der Michel damals fast bis auf den letzten Sitzplatz voll war, weiß ich, dass sich ältere Menschen für diese Wohnform interessieren", sagt Stüven. Offensichtlich falle es den meisten aber schwer, den Absprung zu finden. Eine Einschätzung, die sich mit der Erfahrung von Karin Hillengaß deckt. "Das Problem ist, dass viele Senioren sich oft zu jung und zu fit für eine Wohngemeinschaft fühlen und diese deshalb zu spät für sich in Betracht ziehen." Dabei erlaube diese Wohnform ein sehr selbstbestimmtes Leben im Alter, wie Projekte in Frankreich und Holland zeigten. "Das haben hier in Deutschland leider bislang nur wenige erkannt."
Wer Interesse hat, zu der Gruppe Kontakt aufzunehmen, wendet sich an Karin Hillengaß unter Tel. 18 02 58 27 oder 0173/239 41 75.